Bereits 1874 war in Künzing ein römisches Hilfstruppenkastell in einer ersten Ausgrabung entdeckt und in seiner Ausdehnung dokumentiert worden. In den 1960er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war  dann, einer drohenden Überbauung des Ortszentrums vorgreifend, das Kastell mit seiner Innenbebauung durch H. Schönberger exemplarisch untersucht worden. Es galt daraufhin lange Zeit als das am besten erforschte Hilfstruppenkastell. In den seit 1980 andauernden Grabungskampagnen der Kreisarchäologie Deggendorf schließlich kamen neben überwältigenden Fundmengen, überwiegend im Bereich des römischen Ostvicus, eine große Zahl vorgeschichtlicher Funde und Befunde zu tage.

Römische Kaiserzeit

Zwischen 90 und 120 nach Christus wurde das römische Hilfstruppenkastell Quintana in Künzing gegründet. Seine durch eine starke Außenmauer geschützte Innenfläche von ca. zwei Hektar bot einer Besatzung von 500 Mann inclusive einer Abteilung von 120 Reitern Platz. Ein Modell eines Teils des Kastells gibt Einblick in Verwaltungsgebäude, Hospital, Soldatenunterkünfte und Pferdeställe.

Osttor des Kastells Quintana im Modell in der Ausstellung des Museum Quintana

Verschiedene Metall-Hortfunde zeigen nicht nur eine große Auswahl an originalen Waffen und Geräten, sondern erzählen auch die Geschichte vom gewaltsamen Ende des Kastells in der Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr.: Sie wurden als Beutestücke aus Überfällen von Plünderern vergraben.

Nicht nur das Militärwesen, sondern auch den Alltag spiegeln die Exponate aus Kastell und umgebenden Lagerdorf: Spielsteine, Schmuck und Schreibgriffel, einfaches Gebrauchsgeschirr wie feine Terra Sigillata, das Tafelgeschirr der Römer. Einen besonderen Schatz des Museums stellen die Militärdiplome dar, die einem nichtrömischen Soldaten der römischen Hilfstruppen nach 25 Jahren Dienstzeit das römische Bürgerrecht und das Eherecht verliehen.

Das Amphitheater von Künzing

2003 gelang der Kreisarchäologie Deggendorf eine sensationelle Entdeckung: Ein ehemals in Holz errichtetes, oberirdisch nicht mehr erkennbares Amphitheater, mit dem an dem kleinen Künzinger Truppenstandort niemals gerechnet wurde. Ein Modell zeigt eine Rekonstruktion der ovalen Arena mit den Abmessungen 34,6 m (= 117 römische Fuß) mal 29,6 m (=100 Fuß) in Nord-Süd-Richtung. Der Gesamtdurchmesser mit den hölzernen Tribünen, auf denen etwa 600 Personen Platz finden konnten, betrug 46 x 40 m (155 x 135 Fuß).

Die untertägig erhaltenen Überreste des Amphitheaters sowie ein südlich angrenzender, kleiner Teil der römischen Zivilsiedlung sind seit Juli 2021 Teil des UNESCO-Welterbe “Grenzen des Römischen Reiches – Donaulimes (westl. Segment)”.

Modell des Amphitheaters von Künzing im Museum Quintana

Mehr über das Amphitheater von Künzing erfahren Sie in diesem Online-Artikel.

Spätantike

Nur wenige, dafür aber umso bedeutendere Funde zeugen von der Geschichte Künzings nach der Zerstörung des mittelkaiserzeitlichen Kastells in der Mitte des 3. Jahrhunderts nach Christus. Sie belegen die ununterbrochene Weiterbesiedelung des Ortsgebietes auch in den Wirren der Völkerwanderungszeit.

Dolche vom Typ Künzing, gekürzte Langschwerter (“Semispathae”) und eine Kette für Kriegsgefangene aus dem größten Eisenhort nördlich der Alpen aus Künzing

Von einem spätantiken Kastell und der in der Lebensbeschreibung des heiligen Severin erwähnten kleinen Kirche Künzings wurden bis heute archäologisch keine Reste nachgewiesen. Aus dieser Severinsvita – einem Originaldokument des 5. Jahrhunderts – wissen wir, dass die christianisierte, romanische Bevölkerung sich in der Spätantike in ständiger Unruhe gegen die aus dem Osten einwandernden germanischen Stämme zur Wehr setzen musste. Schließlich führte Severin die Bevölkerung aus den romanischen Kastellen in gesicherte Siedlungen weiter nach Osten und im Ende des 5. Jahrhunderts endgültig nach Italien zurück.

Fachliteratur

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Text: Dr. Eva Bayer-Niemeier
Titelbild: Ausgrabung des Amphitheaters von Künzing im Jahr 2001. Foto: Klaus Leidorf.